TXET

Meine Lehre (2)

Überblick und Ausbeute bis 2019: die Arbeiten von Studierenden diverser Kunst- und Designhochschulen, an denen ich lehren durfte. 

All meine Studierenden – alle, die mindestens an einem meiner Seminare oder Workshops teilgenommen haben, – dürfen sich bei mir melden, wenn sie Beratung in Sachen Text und Konzept brauchen. So bekomme ich ihre Weiterentwicklung mit und freue mich sehr, wenn sie den gestalterischen Umgang mit Sprache gezielt für ihre Bachelor-, Master- oder andere Arbeiten nutzen. „Meine“ Studierenden?

Seit 2016 bin ich in der Lehre. Ein Überblick:

  • An der Berliner Universität der Künste (UdK) erfülle ich seit dem Wintersemester 2016/17 Lehraufträge für Text und Konzept als Teil der gestalterischen Grundlagen im Studiengang Visuelle Kommunikation. Dies beschreibe ich im vorangegangenen Beitrag.
  • Im akademischen Jahr 2017/18 war ich Lehrbeauftragte für Sprache und Text an der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle.
  • 2018/19 durfte ich die Meisterklasse der Höheren Graphischen Bundes-Lehr- und Versuchsanstalt in Wien unterrichten.

Lehrvorträge und Workshops:

  • Im Oktober 2018 habe ich einen Gastvortrag und einen Workshop an der HBKsaar gegeben, der Hochschule der Bildenden Künste Saar.
  • Key Note Lecture auf der FURE Future of Reading Design Conference am 30. November 2018 an der MSD Münster School of Design.
  • Im Dezember 2018 habe ich einen Workshop zu Sprache und Identität an der Folkwang Universität der Künste in Essen durchgeführt.

An der Burg

Im akademischen Jahr 2017/18 übernahm ich das Wahlpflichtfach „Sprache und Text“ an der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle, Fakultät Design. Die Teilnahme daran ist für Studierende des Studiengangs Kommunikationsdesign ab fünftem Semester bindend (die anderen Wahlpflichtfächer stehen ihnen tatsächlich zur Wahl). „Sprache und Text“ wurde, dies erstmalig, von mir benotet, und erstmalig durfte eine Dozentin den Lehrauftrag zweimal in Folge erfüllen. In meinen beiden Seminar­gruppen (zwei Semestern) an der Burg habe ich Methoden vermittelt, Sprache als Instrument für die Ideenfindung, Konzeption und Konzentration zu nutzen, mündlich wie schriftlich.

Sprache als Gestaltungsinstrument

Ich gebe Impulse für die Selbstbeschreibung und zeige auf, wie wir in der gestalterischen Praxis, bei unseren Projekten, gestaltend mit Sprache umgehen. In spielerischen Übungen und durch handfestes Schreibtraining lernen die Studierenden: Sprache ist ein Kommunikations- und Gestaltungsinstrument. Es nützt mir, davon Kenntnis zu haben. Auf vielen Ebenen.

Kurze Textformen (Headline, Teaser) waren wesentlicher Bestandteil meines Seminars. Wie mache ich neugierig, wie ziehe ich jemanden in meinen Text hinein? Fragen der Texthierarchie und der Zielgruppenansprache, Strategien der Leserführung haben wir ebenso diskutiert wie Struktur, Stil und Tonalität. Die Arbeitsergebnisse meiner beiden Seminargruppen flossen in die Jahresausstellung der Hochschule und in ein (fortgesetztes) Postkartenprojekt ein, wofür wir die von Prof. Andrea Tinnes gestaltete Hausschrift Burg Grotesk auswählten – Beispiele, Bericht und Bilder unter Spaghettimensch.

Arbeitsergebnis aus meinem Seminar „Sprache und Text“ an der Burg in Halle.

Die Studierenden an der Burg in Halle haben diese Lernerfahrungen aufgegriffen und ausgebaut. Bei ihren Projektarbeiten, in anderen Seminaren und ergänzend zu diversen visuellen Techniken (Fotografie, Illustration) wenden sie an, was sie bei mir im Textseminar gelernt haben. Das freut mich natürlich sehr.

Detail eines Illustrationsprojekts von Patrick Yogi Jungwirth, Teilnehmender meines ersten Seminars an der Burg.

Hier wird deutlich, dass die beschreibenden, begleitenden Texte zu ausgestellten Arbeiten ihre Wirkung haben.

Ich im Interview (1): Sprachliche Tabus

Anneliese Paula Rethfeldt gehörte zu meinem Editorial Team für die TYPO International Design Talks in Berlin. Als Master-Studierende der Designwissenschaften (Design Studies) an der Burg in Halle hat sie am Neuwerk – Magazin für Designwissenschaften redaktionell mitgearbeitet. Das Projekt ist angesiedelt im Master-Studiengang Design Studies und im Studiengang Kommunikationsdesign an der Burg, hat den Schwerpunkt Editorial Design und wird betreut von Prof. Anna Berkenbusch und Team. 

Das Magazin der Design Studies an der Burg in Halle, Ausgabe #6 zum Thema Tabu.

Konzept und Gestaltung des Magazins sind von Laura Gäckle Martinez und Lisa Linz. Die Beiträge stammen von Designstudierenden diverser Fachrichtungen an der Burg. Für die Ausgabe #6 Tabu, erschienen im April 2019, hat Anne Rethfeldt ausführlich mit mir über mein Verhältnis zu Sprache und Text gesprochen.

Ich habe – wohl auch durch meinen kosmopolitischen Lebenslauf – ein hochsensibles Verhältnis zu Sprache in diversen kulturellen Kontexten entwickelt.

Sprachliche Tabus, tabuisierte Sprache und tabubrechender Sprachgebrauch, überschrittene Schutz-, Scham- und Schmerzgrenzen online, offline, telefonisch: Was ist heute überhaupt noch tabu?

Es war spanned, mit einer jungen Designerin und Designtheoretikerin über Sprachgestaltung zu sprechen.

Die Übergänge von privater und beruflicher Sprachnutzung sind fließend bzw. stelle ich infrage, ob beides überhaupt zu trennen ist. Eine Sprechhaltung einnehmen tun wir immer, wie auch immer, bewusst oder unbewusst.

Wer setzt wem Grenzen? Welche sprachlichen Tabus setze ich selbst, und warum? Warum leiden wir manchmal unter Sprache und wie können wir Sprache aber auch nutzen? Darum ging es in diesem vielschichtigen Gespräch. Die gute Nachricht meinerseits: Wir haben die Wahl – und viele spannende, zum Teil witzige, oft wirkungsvolle Möglichkeiten des Sprachhandelns.

Es war interessant und sehr schön, dies mit Anne Paula Rethfeldt zu reflektieren und, gefordert durch die Interview-Situation, meine Haltung zu Sprache und Text zu verdeutlichen und in diversen Facetten zu beleuchten.

Editorial Writing

Schön zu sehen (und zu lesen), wie die Studierenden meine Anregungen und Empfehlungen aufgreifen und wie vielseitig sie sich sprachlich erproben: von redaktionellem Arbeiten, mündlich wie schriftlich, in einem Interview oder Gespräch, das sie transkribieren (wie im Beispiel oben) oder auf andere Weise auswerten, bis hin zu diversen Formen künstlerischen Schreibens, illustrierten Geschichten oder Graphic Novel (folgende Beispiele). Beschreibende Texte gehören in jedem Fall dazu. Das Beschreiben eigener Arbeiten und Ideen, die reflektierende, kommentierende Auseinandersetzung mit Design und künstlerischen Positionen ist heutzutage fester Bestandteil des gestalterischen Repertoires, sei es vom Design, von journalistischer Seite herkommend oder als jemand, der Social Media „nur“ zur eigenen beruflichen Profilierung nutzt. 

Editorial Design und Editorial Writing, eng miteinander verknüpft, sind vielleicht nicht für jeden das bevorzugte Betätigungsfeld oder der Hauptberuf. Aber minimale Ahnung von dem, wie wir uns in unserem Berufsfeld verbal darstellen, sollten wir alle mitbringen. Zumindest das Wissen darum, dass es den Textberuf gibt – Menschen, die gestaltend schreiben können und wollen, sprich, die visuell Gestaltenden dahingehend unterstützen und als Textprofis den verbalen Part bei einem Projekt übernehmen.

Wie illustriert man Traurigkeit

Anna Neumann, Studentin an der Burg in Halle, thematisiert und illustriert in Trübe Tage das Thema Depression. Das Buch entstand 2019 und wurde betreut von Prof. Hans-Georg Barber (Künstlername ATAK). Konzept, Texte und Illustrationen stammen von Anna Neumann. Sie hatte an meiner ersten Seminargruppe im Wahlpflichtfach Sprache und Text im Wintersemester 2017/18 teilgenommen.

Die verbalen und visuellen Beschreibungen eines schwer fassbaren Gemütszustands gehen hier Hand in Hand, werden ganz bildhaft, nachvollziehbar. Der ruhige Tenor, die gesamte Ansprechhaltung und Umsetzung überzeugen sicher nicht nur junge Zielgruppen. 

In ihrem Büchlein Begegnungen beschreibt Anna Neumann, wie sie täglich eine Begegnung (an ihrem Studienort Halle) herbeiführt und was sie dann mit dem jeweiligen Menschen erlebt. Entstanden ist es im Wintersemester 2017/18 an der Burg. Sie hat es mir zusammen mit Trübe Tage geschickt.

Trübe Tage von Anna Neumann, Burg Giebichenstein.

Idee, Konzept und Umsetzung visuell/verbal von Anna Neumann, Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle.

Wie sieht eine Traurigkeit aus, und was machen wir mit ihr?

Anna Neumann findet in ihrem Buch zarte, starke Bilder und einfühlsame Antworten, rettende Möglichkeiten in scheinbar aussichtsloser Lage.

In Wien 

Eingeladen von Leiterin Barbara Drach-Hübler und Martin Tiefenthaler, Dozent für Semiotik und Typografie an der Graphischen (der Höheren Graphischen Bundes-Lehr- und Versuchsanstalt) in Wien, durfte ich die dortige Meisterklasse für Kommunikationsdesign mit Handwerkszeug in Sachen Sprache und Text ausstatten. Ich habe Martin Tiefenthaler aufgrund seines grandiosen Vortrags bei der TYPO 2011 kennengelernt.

In meinem intensiven Kompaktseminar von insgesamt sieben Tagen (durchgeführt in Wien im Herbst 2018 und April 2019) ging es anfangs um Schreibtechniken, Sprachstile und die eigene Schreibhaltung, dann zunehmend konkret um die Konzepte und Texte für ihre Diplomarbeiten und insgesamt darum, die Absolvierenden zu einem bestmöglichen Abschluss und sicheren nächsten beruflichen Schritten zu führen. Die Ergebnisse sprechen für sich.

In ihrer Diplomarbeit Don’t think bedankt sich Claudia Niculescu bei „Barbara Drach-Hübler, Giovanni Corsaro, Martin Tiefenthaler, Sonja Knecht, my parents and Juan Manuel Currea“. Ich freue mich sehr, in dieser Reihe genannt zu sein und Claudia kennengelernt zu haben – eine profunde, konzeptionsstarke Gestalterin.

In drei Booklets à 24 Seiten (12 Blatt) zeigt Niculescu politische, umweltbezogene und global-kulturelle Kurzwörter (political acronyms / environmental acronyms / acronyms in global culture), Format 13,5 × 19 cm mit 4 Bögen (8 Blatt) unbedruckter, durchscheinender Folien in rot-orange, blau und pink.

In einer Serie von drei inhaltlich zusammenhängenden Magazinen untersucht Claudia Niculescu mit Don’t think die zunehmende Verwendung von Kurzwörtern oder Akronymen („the excessive usage of acronyms in modern times“) und visualisiert eindrucksvoll, wie Wörter transformiert, Inhalte neu gefasst und so ihre tieferen Bedeutungsschichten überlagert werden („acronyms are powerful and successfully cover the hidden layers“); kongenial setzt sie es mit verschiedenfarbig und verschiedenartig transluzenten Papier- und Wortschichten um. 

Beispielwort Brexit: der verkürzte, verwitzelnde Name für ein politisches Desaster.

Teils bewusst, meist unbewusst lesen und schreiben, sprechen und denken wir in Kurzwörtern – eine Praxis, die Gefahren birgt, beobachtet Designerin Niculescu. Sprache wird reduziert, nivelliert und vereinfacht bis hin zum vollständigen Bedeutungsverlust, ein Nachfragen oder Hinterfragen somit vermieden.

Am 28. Juni 2019 wurden die an der Graphischen entstandenen Diplomarbeiten in einem feierlichen Festakt in der Albertina in Wien der Öffentlichkeit präsentiert; Claudia Niculescu, Studentin dieser Meister­klasse 2018/19, erhielt für ihre Diplomarbeit Don’t think den Hauptpreis der Schule. Neben dem überzeugenden und hochaktuellen inhaltlichen Konzept und der kongenialen Umsetzung mag ich die Sorgfalt, die die Gestalterin auch im Detail hat walten lassen; so listet sie korrekterweise alle verwendeten Schriften (es sind über ein Dutzend) im Impressum auf und dokumentiert somit die Rolle von Typografie für den gestalterischen Ausdruck.

Claudia Niculescu verwendet in ihrer dreiteiligen Arbeit Don’t think eine Fülle an Schriften: Archive Pro, Bembo, Bungee, Chakra, Cloister Black, Codystar, Courier New (Fließtext rechts), DIN, Fedra Eleven, Futura, Erica One (auf dem Titel), Helvetica, Helvetica Neue, Liquido, Modak (hier im Bild links und rechts oben).

Zwei weitere Studierende aus „meiner“ Wiener Meisterklasse, Katharina Schoch und Maximilian Peleska, sind nach Abschluss verreist und haben sich der Mail Art gewidmet. Über ihre Postkarte „22/48“ aus Budapest habe ich mich sehr gefreut. Text wirkt nach! 

Max Peleska hält mich außerdem per E-Mail über seine Abenteuer auf dem Laufenden: Inspiriert von meinem Seminar habe er sich, übrigens auf einigermaßen gewagte Weise (Betreff: „Mit Ihnen schlafen“), auf ein Textpraktikum in einer Wiener Werbeagentur beworben und dort jede Menge haarsträubender Erfahrungen gemacht. Zum Glück erschüttert ihn dies nicht im Geringsten. Ich genieße jede seiner E-Mails Wort für Wort und erinnere mich an Max’ stilistische Selbstdiagnose als Texter („bin halt a Schnörkeler“); passenderweise hat er sich in seiner Diplomarbeit der Wiener Kaffeehauskultur hingegeben.

50 Post aus Budapest: Mail-Art-Projekt 2019 von Katharina Schoch und Maximilian Peleska, Absolvent·innen der Meisterklasse an der Graphischen in Wien.

Peleskas Praktikumsreports kann ich nicht öffentlich lesen oder zitieren, da ich dabei lospruste, zudem sind sie vertraulich. Eins ist gewiss, ob als verbaler und/oder visueller Schnörkeler (neben textlichem verfügt er über zeichnerisches Talent): Eine glorreiche gestalterische Zukunft ist ihm sicher. Ebenso allen anderen Meisterinnen und Meistern des Jahrgangs 2018/19 an der Graphischen in Wien. Ungeheuer offen und produktiv, von der ersten Minute meines Erscheinens in ihrem Klassenraum an, haben die Wiener Studierenden mitgearbeitet, sich und mich gefordert, meine Übungen aufgriffen und eigenständig weiterentwickelt. Super!

Eine derart intensive und produktive Lernerfahrung im Rahmen eines Lehrauftrags, der über mindestens ein, besser zwei Semester angelegt ist, kann als Meilenstein fungieren. Für Max Peleska ist es richtig gut ausgegangen. Am 7. September 2020 erreicht mich die Nachricht: „Mein Praktikum hat nicht nur gut geendet, es hat quasi gar nicht geendet. Ich bin mit März übernommen worden und bin seit einem halben Jahr Junior Copywriter.“

Neben meinen Lehraufträgen an der UdK Berlin, an der Burg in Halle und an der Graphischen in Wien konnte ich auch als Gastvortragende und mit Workshops zu bestimmten Sprachthemen Impulse setzen.

Beste Abholung ever: Student Daniel Weiand empfängt mich am 23. Oktober 2018 am Bahnhof Saarbrücken und geleitet mich zur Uni. Im weiteren Verlauf (im Workshop) teilte er mit uns seine mehrstufige analog-digitale Tagebuchtechnik, eine der originellsten und konsequentesten, von der ich je gehört habe.

HBKsaar

Gastvortrag und Workshop 

Am 23. Oktober 2018 habe ich auf Einladung von Prof. Indra Kupferschmid im Rahmen der Vortrags­reihe link an der Hochschule der Bildenden Künste Saar meinen ausgebauten Vortrag Text, Sex, Scheiße. Drei Thesen über Text gehalten, und am darauffolgenden Tag ihren rund 20 Studierenden im Kommunikations­­design einen dreistündigen Kompakt-Workshop gegeben: schnelle Schreibübungen und ein paar Text-Basics.

 

Einer der angehenden Kommunikations­­designer der HBKsaar fragte mich noch im Workshop, ob er seine Diplomarbeit konzeptionell mit mir besprechen könne. Zudem brauche er Hilfe beim Text; konkret dabei, seine Figuren sprachlich zu charakterisieren, wie sich dann herausstellte.

Was uns erwartet 

Was mich erwartet, wusste ich nicht, aber diese wurde die erste Abschlussarbeit, die ich konzeptionell-textlich begleitet habe – und gleich eine sehr schöne, herausfordernde: „Wenn wir von Geburt an wüssten, was uns am Ende unserer Zeit erwartet, dann würde wahrscheinlich niemand mehr vor die Tür gehen.“ – so Eric Schwarz im Rückentext zu seiner Diplomarbeit tot sein. Der Absolvent der HBKsaar zeigt das Thema Depression aus der Sicht des besten Freundes des Betroffenen (eines co-Betroffenen, könnte man sagen). Er illustriert dessen Versuche, sich in den niedergeschlagenen Menschen einzufühlen und ihm zu helfen. Mit allen Mitteln möchte der Mitleidende den Freund aus dessen „toten“ Gefühl befreien. Der gemeinsame Akt der Rettung besteht in einem recht zähen, anstrengenden Aufbruch (der Betroffene ist kaum zugänglich und schwer aufzurütteln, die Freundin des mitleidenden Freundes genervt) und mündet in eine abenteuerliche Reise. Auf dieser Reise haben die beiden Freunde diverse Gefahren zu meistern, Rätsel zu lösen und Aufgaben zu bestehen, bis Lösungen und so etwas wie Licht am Ende des Tunnels erscheinen.

Zwei illustrierte Bücher zu ähnlichem Thema, entstanden 2019: Trübe Tage von Anna Neumann (Burg Halle) und tot sein von Eric Schwarz (HBKsaar).

Sehr schön ist Eric Schwarz auch mit Schrift umgegangen.

Vielschichtig setzt Eric Schwarz das mitreißende Abenteuer in Szene, grafisch, textlich, allegorisch. Auch Reflexionen, etwa wiederkehrende Zweifel ob des Gelingens gehören dazu. Märchenartige Aspekte und Elemente aus Science Fiction, zeitliche Verschiebungen und ihr fortwährender Dialog spiegeln die Erlebniswelt der beiden Charaktere wider – und ihre unverbrüchliche Freundschaft.

„Die Klischees sind alle nicht wahr“ und doch kennen viele die Gefühle, die Eric Schwarz in seiner Geschichte verbal und visuell illustriert.

Der zähe Kampf vor dem Aufbruch – in Richtung Veränderung.

Lux zieht mit dem niedergeschlagenen Kastor los. Zusammen durchleben sie mehrere Stufen verheißungsvoller Möglichkeiten, sich und das Leben neu zu sehen.

Mit seiner Erzählung konnte Erik Schwarz das Prüfungsgremium voll und ganz überzeugen und bekam „eine 1,0 mit Sternchen“, wie er mir schrieb. Es folgte eine Lesung (von seiner und weiterer herausragender Graphic Novels) in der Landesvertretung des Saarlandes; für mich war es die erste Comic-Lesung überhaupt und ausgesprochen spannend.

Ich mag es, als Textmeisterin bezeichnet zu werden, freue mich über jedes Dankeschön und über Belegexemplare der von mir betreuten Arbeiten.

Ein weiterer wunderbarer Kontakt, der durch meinen Vortrag an der HBKsaar zustande am ist der zu Daniel Hahn. Der ehemals dortige Student und Kommunikationsdesigner schickte mir Wochen später seine Eindrücke und Gedanken zu meinem Vortrag plus Foto mit Textbezug und den Vorschlag, uns auf einen Kaffee zu treffen, sobald er in Berlin angekommen sei. Hier wolle er sich fortan ausschließlich seiner künstlerischen Arbeit und darin dem Umgang mit Text widmen. Ich freue mich riesig, dass Daniel seinen Vorsatz wahr machen und mittlerweile die ersten Ausstellungen in Berlin realisieren konnte.

Neben diesem Wortbild schenkte mir Daniel Hahn das schöne Wort Promena: „Promena kommt aus dem Serbischen und heißt Veränderung, Änderung, Abwechslung, Wechsel, Wendung.“

Ich freue mich, dass ich mit nur einem Vortrag oder Workshop Sprachbewusstsein wecken und so viel Lust auf die Arbeit mit Text machen kann. Denn die Art und Weise, wie wir (mit) Sprache gestalten, beeinflusst unser Leben und wie wir die Welt wahrnehmen. Nicht nur in Gestaltungsberufen. In zwangsläufiger Wechselwirkung sind wir dafür verantwortlich, was mit uns und anderen sprachlich geschieht: in jedem Moment, jeder Situation, ob privat oder beruflich.

MSD 

Key Note auf der FURE Design Conference 2018

An der Münster School of Design, kurz MSD, findet 2018 zum zweiten Mal die Konferenz zur Zukunft des Lesens statt – FURE steht für The Future of Reading. Ich halte den Eröffnungsvortrag am 30. November 2018 und veranschauliche, warum Lesen (und Schreiben) so essenziell sind, ergo die Zukunft des Lesens identisch ist mit der Zukunft des Lebens.

Die gute Nachricht ist: Wir sind dieser Sachlage nicht hilf- und tatenlos ausgesetzt. Ich erkläre das auf der FURE 2018 im Rückgriff auf meinen Vortrag Text, Sex, Scheiße, erstmalig gehalten wenige Monate zuvor auf der TYPO Berlin, und erweitere in Münster meine drei Thesen zu Text um neue Beispiele und berufliche Erfahrungen; inklusive praktischer Übungen, etwa dazu, wie Assoziationen entstehen, wir sie beeinflussen, nutzen oder zumindest uns ihrer bewusst werden können. Auch dekliniere ich in meinem Vortrag durch (dies hier nur en passant), dass es für jeden Unsinnssatz, der uns beim Anwenden digitaler Medien überfällt, mindestens 50 Varianten gibt, ihn besser zu machen. Immer geht es darum, aus vielen Gestaltungsmöglichkeiten die richtige Wahl zu treffen, auch sprachlich – eine tunlichst kleine, wohlüberlebte Vorauswahl für (m)einen (imaginierten) Auftrag. Merke: Immer mit einem klaren Favoriten, sprich, einer Empfehlung ins Rennen bzw. in die Präsentation gehen. Damit machen wir unsere Beauftragenden froh und erleichtern ihnen die Entscheidung.

Im Rahmen seiner Masterthesis an der MSD führte Joscha Borgers ein Interview mit mir zum Thema Text im Design.

Ich im Interview (2): Sprache im Design

Unten dem Titel wortfolio – Sprachgefühl im Design reicht Joscha Borgers seine Masterthesis im Sommersemester 2019 an der MSD ein. Im Vorfeld hatte er Mitstudierende und Bekannte, die in Gestaltungsberufen arbeiten, zu ihrem „kreativen Sprachgebrauch“ befragt. Ich habe bereits diese Umfragen mitverfolgt und konnte Teilergebnisse daraus in meine Vorträge einfließen lassen, bevor ich ihm schließlich für ein ausführliches Expertinneninterview zur Verfügung stand. Seine Headline Wortgefecht mit Sonja Knecht hat es als Alternative ins Buch geschafft; er präsentiert das Interview unter dem Titel „Auf ein Wort mit Sonja Knecht“.

Als Ansprechperson hatte mich Prof. Dipl.-Des. Rüdiger Quass von Deyen empfohlen, der die Masterarbeit zusammen mit Prof. Dipl. Des. Claudia Grönebaum betreute.

wortfolio motiviert, dem eigenen Sprachgefühl zu vertrauen, zu experimentieren und die sprachliche Umwelt bewusst wahrzunehmen“, so Joscha Borgers in seine Einleitung.

„Nicht jede/r Designer/in möchte oder muss schreiben. Dabei haben wir die Option, die Schreibkompetenz zu unserer Wunderwaffe im Berufsprofil zu machen“, resümiert Joscha seine Erkenntnisse.

Joscha Borgers möchte Mitstudierende „für ein gutes Sprachgefühl“ begeistern und sie von dem gezielten Einsetzen ihrer „kreativsprachlichen Kompetenz“ überzeugen.

Natürlich habe ich diese Masterarbeit besonders gern betreut und im Gespräch mit Joscha Borgers die Bedeutung von Sprachgestaltung im Kommunikationsdesign betont.

Im Interview nehme ich Bezug zu weiteren Kollegen, die z. B. im Interface Design (Frank Rausch) oder in ihrem Lebenswerk (Erik Spiekermann) kontinuierlich Textgestaltung propagieren und sich für gute Typografie starkmachen.

Meines Wissens ist dies die erste Abschlussarbeit eines Gestaltungsstudierenden explizit zum Thema Text im Design. Joscha Borgers zeigt mit wortfolio auf, wie wichtig und gewinnbringend ein aktiv gestaltender Umgang mit Text in Gestaltungsberufen und im Grafikdesign ist, wie gleichberechtigt wichtig verbale und visuelle Aspekte (Aufgaben, Inspirationsquellen) schon im Designstudium sind. Seine persönlichen Erfahrungen, seine Schreiberfahrung als Singer-Songwriter (unter seinem Vornamen Joscha) und sein sprachliches Gestalten im Designstudium sieht er als großes Ganzes.

„Vielleicht ist das ein Spezifikum von Text, dass du selber das Tool bist“. Mein Lieblingszitat von Joscha Borgers aus unserer Nachbesprechung.  

Du selbst bist das Tool

All das macht Hoffnung. Die Bilderflut wächst und macht Orientierung schwierig, zumal, wenn man an Inhalt interessiert ist. Die mediale Bildüberfülle, die routinierte Nutzung und Platzierung von Bildern auch von Privatpersonen ist ausgereizt. Beliebigkeit und Überdruss angesichts all dessen machen neue, andere Differenzierungsmerkmale professioneller Gestalterinnen nötig. Auf den Inhalt kommt es an, auf den Ton, den Text. Die Sensibilität von Mediennutzer und das Interesse der Designstudierenden am Umgang mit Sprache zeigt, wie dringend eine fundierte Lehre in diesem Bereich ist. 

Meine Beobachtung ist: Das Sprachbewusstsein nimmt zu. Der Spaß an Sprache und die Neugier darauf wachsen. Meine Lehrerfahrungen und die Arbeiten, die daraus resultieren, sind der beste Beweis. 

Aus der Umfrage 2018 von Joscha Borgers unter rund 100 Kommunikationsdesign-Studierenden und -Berufstätigen (im Vorfeld seiner Masterarbeit an der MSD).

Angehende Gestalterinnen beziehen Sprache voller Schaffenslust ein, auch wenn sie zum Teil tief verunsichert und ungeübt darin sind, sich verbal auszudrücken. Aber sie sind auch in der privilegierten und ergebnisoffenen Situation, nicht auf Druck bestimmte Ergebnisse produzieren oder sich bereits spezialisieren zu müssen. Noch können sie sich in verschiedenen Techniken ausprobieren. Sie haben durchaus Skrupel angesichts der möglichen Wirkung ihrer Worte, denn Gender- und sonstige Sprachdebatten verunsichern viele Menschen nicht nur im Studium. Fragen und Diskussionen zu unserem Sprachhandeln gehören natürlich zu meiner Lehrpraxis.

Folkwang

Workshop für gendersensible Sprache 

Am 7. Dezember 2018 habe ich im Rahmen des fakultätsübergreifenden Lehrangebots der Folkwang Universität der Künste zum Semester­thema Stereotyp*innen. Gender at Folkwang mit einer Gruppe von 25 Personen das Thema Sprache formt Identität bearbeitet. Dazu habe ich referiert über sprachgeschlechtliche und geschlechtersprachliche Stereotype, habe aktuelle Ideen und sprachregulatorische Vorschläge zur Genderthematik vorgestellt; zentral war die Grundsatz­frage, inwiefern Sprache überhaupt gerecht oder „gendergerecht“ sein kann.

Workshop-Initiatorin Hannah Witte befasst sich im Rahmen ihres Kommunikationsdesign-Studiums mit den Themen Gender und Race. Die Trägerin des Folkwang-Preises 2019 in der Sparte Gestaltung hat mich zu diesem Workshop ins Haus geholt. 

Hannah Witte initiierte den Workshop zu gendersensibler Sprache im Rahmen der Reihe Stereotyp*innen, Gender an Folkwang und lud mich als Workshop-Leiterin ein.

Was können, sollten, wollen wir mit Sprache erreichen?

Diese Ausgangsfrage empfehle ich sehr, in jedem Text-Workshop (und bei jedem Auftrag), in jeder Sprachdiskussion. Insbesondere, wenn Debatten hitzig werden, wenn pauschalisiert und polarisiert wird, wenn die Beteiligten sich verzetteln in Details und Definitionen. Gefährlich wird es, wenn akademische Zirkel sich Deutungshoheit zum Sprachgebrauch und Sprachempfinden aller anmaßen. Dieser elitären oder zumindest privilegierten Position sollten wir uns bewusst sein.

Ich stelle fest, dass mitunter vor lauter sprachlich-formalem Korrektheitseifer und Angst vor Fehlern die eigentliche Sachlage, die gesellschaftliche Realität aus dem Blick gerät. Das ist schade für die Umsetzung. Denn das Durchdringen, der Erfolg, wenn man so will, neuer sprachlicher Formen hängt wesentlich von ihrer Praktikabilität ab. Und sprachliche Praktikabilität wiederum hat mit sprachlicher Schönheit, mit Einfachheit, mit Selbstverständlichkeit zu tun.

Also haben wir im zweiten Teil des Workshops ganz sprachpraktisch gearbeitet. In Gruppen erprobten die Teilnehmenden in mehreren Aufgaben und eigenen Beispielen textliche Möglichkeiten, flexibel, kreativ und kontextbezogen – also viel stimmiger und vielstimmiger – mit dem Gendern umzugehen. Das ist realitätsnäher als Versuche rein formaler Normierung, also typografischer Zeichensetzung zum Beispiel mit dem Gendersternchen. Letzteres ist praktisch, aber sprachlich oft unschön, wirkt wenig „selbstverständlich“ – und wir lassen kreativsprachliche Möglichkeiten ungenutzt. Viel spannender ist doch: Wie wirkt Sprache selbst­verständlich? Wie transportieren wir in vielzitierter Selbst­verständlich­keit, jeder Mensch ist „mitgemeint“?

Ich möchte Sensibilität und Sicherheit im Sprachhandeln vermitteln. Mein Ziel ist, dass wir in der Gender-Frage und bei anderen Sprachdebatten von theoretischer Strenge zu lebensnaher, alltags­tauglicher Praxis gelangen, zu einer Praxis, die Spaß macht und in der wir uns alle wiederfinden.

Beim Ausprobieren und Einüben diverser textlicher Möglichkeiten kamen wir im Workshop weit über das übliche Pro und Contra hinaus. Das Beste daran war die spürbare Entspannung und allseitige Erleichterung in der Gruppe, als wir aus der polarisierenden, auf Formalien begrenzte Gender-Debatte heraus- und gemeinsam weiterkamen, sprachlich und gedanklich.

Workshop-Initiatorin Hannah Witte und ich bleiben im Austausch und an dem Thema dran. Ihre Arbeit zu typo-linguistischen Möglichkeiten des Genderns werde ich in meiner „Ausbeute 2020/’21“ vorstellen.

Sprache gestalten

Das Schöne und Positive ist, dass wir sprachpolitische Debatten längst in der Öffentlichkeit haben. Wir hinterfragen unsere Sprechhaltung, unsere Sprachgewohnheiten und machen uns bewusst, dass wir klare Entscheidungsmöglichkeiten haben. Diese sind weitreichend. Sprache spiegelt Gesellschaft. Gerade angesichts (zum Teil intentional vorangetriebener) sprachlicher Verrohung bestimmter politisch-gesellschaftlicher Gruppierungen gilt es, unsere Sprache und damit unsere Haltung zur Welt und gegenüber anderen Menschen stetig zu reflektieren.

Die künstlerische Freiheit, mit der Studierende im Grafik- und Kommunikationsdesign an Sprache und Text herangehen, ist eine Riesenchance.

Die Wucht und der Wagemut, die analytische Brillanz und Originalität, die Tiefe des Ausdrucks, die Vorsicht und Zartheit in vielen studentischen Arbeiten überzeugen und berühren mich tief. Die Studierenden machen mir nach Jahrzehnten im Beruf die Bandbreite von angewandter Sprache, von gut gestaltetem Text auf neue Weise gewahr. Immense Möglichkeiten liegen in unserem Berufsfeld!

Eins steht fest: Die Qualifikation von Designerinnen und Designern, egal in welchem Bereich, ihre Profilierung und ihre Projekterfolge werden in Zukunft noch mehr davon abhängen, ob und wie sie mit Sprache gestalten. 

Umfrage 2018 von Joscha Borgers im Vorfeld seiner Masterarbeit an der MSD; er befragte rund 100 Studierende und Berufstätige im Design.

Spannend auch die aufgezeigten Widersprüche: Sprachkompetenz wird von Designstudierenden durchgängig als wichtig angesehen, aber kaum bewusst gefördert.

Weiterlesen? Anleitung und Ermutigung zur Sprachgestaltung speziell im Design (sowie viele Literaturtipps) gibt es unter Text in Not. Meinen Start als Dozentin an der UdK Berlin beschreibe ich in Meine Lehre (1), meinen persönlichen Schreibhintergrund (anlässlich meiner offenen Sommer-Workshops an der UdK) in Why I write

Diesen Sommer biete ich zum zweiten Mal zusammen mit meinem Juniorpartner Christoph Rauscher einen Intensiv-Workshop für alle Interessierten: Writing = Design.   

Neue Arbeiten meiner Studierenden – die Ausbeute im akademischen Jahr 2020/21 – werde ich vorstellen, sobald sie alle ihre Arbeiten abschließen konnten. Spannend, wie deutlich sich wieder zeitaktuelle inhaltliche Schwerpunkte zeigen.

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